Das Thema ESG ist aus Sicht der Finanzbranche fast schon ein alter Hut. Eine Ausnahme bildete bislang der Verbriefungssektor. Mit der EU Green Bond-Verordnung (EUGBV) hat der europäische Gesetzgeber jetzt erstmals einen freiwilligen Rechtsrahmen für grüne Anleihen geschaffen, der auch für Verbriefungen nutzbar ist. Das dürfte dem Thema auch in unserer Branche deutlich Auftrieb geben.
Eine Verbriefung ist gemeinhin die Umwandlung von Vermögenswerten in handelbare Wertpapiere. Diese Definition ist zu unterscheiden vom engeren Begriff einer klassischen bankennahen Verbriefung im Sinne der STS-Verordnung bzw. CRR, bei der u.a. durch Tranchierung unterschiedliche Ertrags- und Risikoprofile geschaffen werden. Im weiteren Sinne kann auch jede gewöhnliche Anleihe oder Inhaberschuldverschreibung, die auf einen Basiswert referenziert, als Verbriefung verstanden werden. Dies ist etwa der Fall bei sogenannten Green Bonds, die beispielsweise Gewinne aus dem Ausbau von nachhaltigen Geschäftsmodellen verbriefen.
Solche nachhaltige Verbriefungen waren bislang ein mühsames Geschäft. Mangels eines allgemein anerkannten Standards mussten die Emittenten für den Nachweis der Nachhaltigkeit ihres Produkts selbst Sorge tragen – gerade im grenzüberschreitenden Vertrieb mit nicht unerheblichen Hürden. Dies geschah in der Regel mit einem Green Finance Framework, in dem festgelegt wird, zu welchem nachhaltigen Zweck die eingeworbenen Mittel verwendet werden sollen. Außerdem enthält dieses Dokument Informationen zu Auswahlprozess und Evaluierung der zu finanzierenden Projekte, zur Sicherstellung der korrekten Mittelverwendung, sowie zu einem regelmäßigem Reporting. Nach der Erstellung überprüft ein externer Zertifizierer, ob die beschriebenen Bedingungen den Maßgaben eines der gängigen, internationalen Standards entsprechen. Den Goldstandard bildeten hier lange die Green Bond Principles der ICMA. Mit der EUGBV erwächst diesem nun eine ernstzunehmende europäische Konkurrenz.
Die Erstellung eines solchen Frameworks war und ist aufwändig. Und das auch weiterhin, denn die Emission nach EUGBV ist ebenfalls prospektpflichtig. Das dürfte insbesondere kleine und mittlere Unternehmen weiterhin davon abhalten, eine nachhaltige Verbriefung in Erwägung zu ziehen. Was schade ist, kann ihnen diese alternative Finanzierungsform doch die Liquidität verschaffen, die sie für ihre nachhaltige Transformation dringend benötigen. Und das projektbezogen und variabel verzinst, was im Vergleich zur klassischen Anleihe bessere Konditionen verspricht. Quasi als Nebeneffekt hat der Initiator einer solchen Finanzierung zudem die Möglichkeit, die Zukunftsfähigkeit seines Geschäftsmodells publik zu machen. Damit verbessert sich nicht nur die Positionierung des eigenen Unternehmens in der öffentlichen Wahrnehmung, sondern auch die Verhandlungsposition gegenüber institutionellen Investoren. Denn diese sind nach EU-Offenlegungsverordnung zur Veröffentlichung der Quote ihrer taxonomiekonformen Finanzierungen verpflichtet. Und jedes wahrhaft nachhaltige Produkt hilft Banken, Versicherungen und anderen regulierten Investoren, ihre diesbezüglich selbstgesetzten Ziele zu erreichen.
Was die EUGBV bei aller Güte ebenfalls nicht auflöst, ist der starke Fokus auf Umweltthemen. Nicht ohne Grund trägt die Verordnung den Begriff „Green“ im Namen, also das E von ESG. Die anderen beiden Buchstaben spielen im Anleihen-Business bisher nur eine untergeordnete Rolle. Im Bereich Soziales ist die Datenqualität oft zu schlecht, um messbar zu sein, was für klassische Bonds ein Ausschlusskriterium ist. Und auch das Thema Governance scheitert bisher an den hohen Anforderungen, die sich nur schwer umsetzen lassen, nicht zuletzt dem überschaubaren Anlageuniversum. Im Verbriefungsumfeld fallen diese Probleme weniger ins Gewicht, da die Daten – anders als bei einem Art. 9-Fonds – nicht notwendigerweise von einem externen Datenlieferanten kommen müssen. Damit können auch die Kosten geringer ausfallen.
Trotz kleinerer Schwächen lässt sich der Schwerpunkt der EUGBV deutlich auf der Haben-Seite verbuchen. Wird damit doch eine im Verbriefungsmarkt bisher schwerlich vermisste Konformität hergestellt, die ein europaweiter Standard, der vielleicht auch weltweit adaptiert wird, bietet. Davon ist auch eine Professionalisierung des Marktes zu erwarten. Das Angebot an potenziellen Anbietern von Dienstleistungen im Umfeld der Emission nach EUGBV dürfte schnell wachsen. Dies dürfte es allen Transaktionsparteien einfacher machen, geeignete Partner zu finden.
Diese und andere Möglichkeiten stimmen mich hoffnungsvoll, dass die Einführung der EUGBV ein wertvolles Signal für die gesamte Verbriefungsbranche und eine saubere Grundlage für einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung des European Green Deal bietet. Denn sie vervollständigt neben den seit Jahren diskutierten Art. 8- und Art. 9-Fonds das Spektrum grüner Finanzinstrumente.