Interview mit Daniel Maier aus Payment & Banking.
NFT, Kryptowährungen, Tokenisierung – die Zukunft der Geldanlage ist ohne Technologie nicht denkbar. Nur: Wie hängt das eine mit dem anderen zusammen? Und wie könnten die kommenden zehn Jahre aussehen? Ein Gespräch mit einem, der es wissen muss. Daniel Maier ist Geschäftsführer von Chartered Investment. Das Unternehmen ist ein Fintech, das traditionellen Finanzunternehmen hilft, in die neuen Gefilde der Kapitalmarktprodukte vorzustoßen. Selbst bezeichnet es sich als Produktions-Plattform, die Financial Engineering, Technologie und Legal Know-how verbindet.
Text im Original aus Payment und Banking. Von Arne Gottschalck.
Hier finden Sie das Original Interview: https://paymentandbanking.com/amazon-der-geldanlage-durchaus-denkbar/
Bevor wir loslegen, Herr Maier – was machen Sie bei Chartered Investment? „Financial Engineering“ kann ja vieles heißen.
Man kann sich unser Unternehmen als Hub vorstellen, als Plattform, mit der Banken, Versicherungen und andere Finanzdienstleister ihre Ideen für neue Produkte in allen Bereichen umsetzen können. Wir haben dazu die Technologie und die Schnittstellen. Stellen Sie sich vor, Sie sind bei einer Bank für die Produktentwicklung verantwortlich und Sie wollen ein neues Produkt im Bereich Nachhaltigkeit oder ganz aktuell Inflationsschutz anbieten.
Dann können wir für Sie Ihre Idee umsetzen und ganz konkret eine Anleihe, einen Index oder ein Zertifikat bauen – exakt das Produkt, das am besten passt. Oder Sie wollen eine Strategie als Index abbilden, die sie vielleicht lieber extern erstellen lassen möchten, um Interessenkonflikte zu vermeiden, oder weil das Betreiben solcher Indizes enorme Ressourcen erfordert, die Sie intern nicht haben. Dann können wir übernehmen. Vielleicht wollen Sie auch Token begeben, aber haben die Infrastruktur nicht – die bieten wir mit unserer Plattform an, und zwar BaFin-konform, denn wir sind eingetragener Krypto-Registerführer.
Begeben wir uns einmal in die Vogelperspektive: Wie komplex sind die Finanzmärkte heute auf einer Skala von 0 bis 10 (10 steht dabei für hochkomplex) – und wie schaut das in zehn Jahren aus?
Der Komplexitätsgrad ist hoch und wird es bleiben, möglicherweise sogar noch weiter steigen. Es gab ja schon vor der Finanzkrise hochkomplexe Produkte und es gibt sie weiterhin. So eine Komplexität kann technisch bedingt sein, regulatorisch, aber auch vom Asset her. Die Kunst ist es, diese Komplexität zu reduzieren, so dass sie standardisierbar ist. Komplexität also nicht um der Komplexität willen, sondern um Dinge einfach zu machen. Das ist der Stand heute. In der Zukunft werden wir eine deutliche Technisierung des Bankings sehen. Das bedeutet: Die Finanzindustrie wird IT künftig immer mitdenken müssen.
Und in zehn Jahren?
Dann wird es Standard sein, Technologie der Anlageprodukte und auch des Investmentbankings mitzudenken. Das Spektrum an Möglichkeiten wird rapide breiter. Das bedeutet einerseits, dass ganz neue Wege und Sachen vorstellbar sind, andererseits steigt dadurch die Komplexität der Anforderungen weiter an. Wir sprechen heute bereits von Tokens, von Blockchain. Ich sehe schon in fünf Jahren einen anderen Grad der Komplexität; wir werden mehr in IT denken müssen und das mit Financial Engineering und regulatorischem Know-how verbinden, um die optimale Lösung bieten zu können.
Das kann zum Beispiel helfen, Forderungen schneller zu verkaufen und damit die damit einhergehende Rendite zu erhöhen. Oder nehmen Sie Krypto-Investments: Derzeit muss der Käufer zweimal in die Geld-Brief-Spanne gehen, beim Kauf und beim Verkauf. Das ist nicht effizient, bedeutet aber neue und zusätzliche Komplexität.
Bringt das auch neue Anlageprodukte?
Ja, das glaube ich auf jeden Fall. Denn nur dann ist Technologie spannend. Financial Engineering kann helfen, Themen abzubilden, die man vorher nicht darstellen konnte. Die ersten Ansätze kann man in vielen Bereichen bereits sehen.
Was hilft dabei, den Überblick zu wahren?
Übersichtlichkeit ist auch eine Frage der Masse, des Angebots. In der Konsumwelt hat man mit Amazon scheinbar eine Antwort gefunden, das vermeintliche Angebot zu filtern. Ist das im Finanzbereich denkbar, also eine zentrale Plattform zu haben? Vermutlich schon, die Ausschaltung der Intermediäre ist möglich. Ob dadurch bessere Produkte gefunden werden, das ist eine andere Frage. Nicht jeder, der auf Amazon verkauft und das „Trusted“-Siegel hat, ist damit zwangsläufig auch ein guter Anbieter.
Welche Rolle nimmt die Industrie ein? Immerhin ist sie Produktgeber.
Die Industrie steht aktuell wieder vor der Herausforderung, eine komplett neue Welt für sich zu entdecken – nämlich die Kryptoisierung und Dezentralisierung. Es bieten sich unendlich viele neue Möglichkeiten. Aber wie gesagt: Dieses Mehr an spannenden neuen Produktmöglichkeiten geht einher mit zunehmender Komplexität. Hier sehen wir bei uns eine Schlüsselfunktion: Wir wollen der Partner für die Finanzindustrie sein, der ihre Ideen umsetzt.
Ist der Tech-Einsatz in fünf Jahren Standard?
Ich glaube, die Geschwindigkeit ist deutlich höher. Vor ein, zwei Jahren dachte man noch, dass es so lange dauern würde, aber das stimmt nicht mehr. Das liegt daran, dass viele Treiber am Markt sind, die vieles ausprobieren und dranbleiben. Der Wille, mit neuen Technologien zu experimentieren, der ist da. Die Dekabank zum Beispiel will ja auch den Sparkassensektor komplett überarbeiten; in der Schweiz sind einige Häuser in Sachen Kryptowährungen sehr aktiv.
Früher hieß es immer, die Schnittstellen zwischen Unternehmen seien entscheidend für Erfolg oder Misserfolg. Ist das noch so?
Kommt drauf an, wo die Schnittstellen sind. Der Investor will im Depot seine Anlagen sehen. Das ist die erste Schnittstelle. Schnittstelle zwei ist es, damit handeln zu können, über die Märkte. Wir als kleiner Spieler müssen flexibel sein und uns an die Schnittstellen anpassen, die sich anbieten. Wir können sie nicht definieren. Aber wir können die Brücke sein! Das Schöne ist, dass sich auch eine Standardisierung bei den Großbanken entwickelt, die sich damit die Möglichkeit schaffen, kleine Fintechs an Bord zu holen. Außerdem ist der Druck viel größer geworden – die Banken erkennen, dass die Kunden immer mehr möchten.
Hilft der Anlagedruck?
Ich glaube, die Technologie bietet die Möglichkeit, diese Themen abzubilden und zu verbessern. Was ist denn etwa bei Alternative Investments (AI) das Problem? Oft die Mittelverwendung, die Frage, wo das Geld ist und so weiter. Tech kann helfen, diesen Zustand zu verbessern, und damit für mehr Transparenz sorgen. Der Druck ist da, Themen anders zu lösen – effizienter.
Wie sieht die Industrie in zehn Jahren aus?
Die große Frage lautet: Gibt es ein Amazon der Finanzindustrie, wo die bestehenden Netzwerke aufgelöst und Intermediäre überflüssig werden. Kann das passieren? Durchaus möglich. Aber genauso gut ist möglich, dass es in eine andere Richtung geht. Sicher ist nur: Wir stehen aktuell an einem Punkt, an dem sich ganz neue Perspektiven für die Industrie eröffnen.
Profitiert eigentlich auch der Privatanleger?
Ja, auf jeden Fall. Themen zu übersetzen, Technologie für mehr Transparenz zu nutzen, das ist ja auch für Aufsicht und Privatanleger wichtig.
Sprechen wir kurz über Regulierung: Welche Rolle wird sie künftig spielen?
In meinen Augen gibt es drei Bausteine für den Erfolg als Finanzunternehmen in der Zukunft: Das Technologieverständnis, das Financial Engineering und eben das rechtliche und regulatorische Verständnis. Nur weil man etwas anders macht, bedeutet das nicht, dass Regulatorik nicht gilt. Dazu gilt: „KYC, know your customer“. Das alles muss sichergestellt sein – und das möglichst effizient.
Letzte Frage: Früher haben manche Finanzhäuser „Chefvisionäre“ beschäftigt, die über die Zukunft nachdenken sollten. Welche Rolle spielt das heute?
Ich kann nur für uns sprechen – und wir richten uns am Markt und unseren Kunden aus. Also: keine Vision nur um der Vision willen. Aus meiner Sicht entwickelt sich ein diskutierender Markt auch an vielen Stellen plötzlich und explosionsartig. So etwas ist durch eine Vision, die ein wenig an die Zehn-Jahres-Pläne im Kommunismus erinnern, überhaupt nicht abzubilden.
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